Berufsausbildung und Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich

15.03.2017

Hochspezialisierte Industrie- und Dienstleistungsstandorte wie Frankreich brauchen gut ausgebildete Arbeitskräfte, Tendenz zunehmend. Gering qualifizierte haben wachsende Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Für viele Unternehmen ist es unterdessen nicht einfach, Mitarbeiter mit den benötigten Kenntnissen und Fähigkeiten zu rekrutieren. Damit steht die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Länder vor einer zusätzlichen Belastungsprobe.

Hohe Jugendarbeitslosigkeit
Die Situation auf dem französischen Arbeitsmarkt hat sich 2016 gegenüber den Spitzen der Jahre 2014 und 2015, als die Arbeitslosenquote jeweils auf rund 10,5% gestiegen war, etwas entspannt. Für das vierte Quartal 2016 verzeichnet das nationale Statistikinstitut Insee für Frankreich insgesamt 10,0% Arbeitslose, werden die Überseegebiete herausgenommen, sinkt die Quote auf 9,7% nach 9,9% ein Jahr zuvor. Ebenfalls gesunken ist die Erwerbslosigkeit der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren. Sie bleibt jedoch mit 23,3% erschreckend hoch.
Verschiedene Ursachen behindern die Integration junger Menschen in den geregelten Arbeitsmarkt. So wirken auch die rigide Arbeitsgesetzgebung und der vergleichsweise hohe Mindestlohn (Smic) sicherlich bremsend auf die Bereitschaft der Unternehmen, junge Leute einzustellen. Studien im Auftrag des französischen Arbeitsministeriums und der nationalen Statistik kommen jedoch übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die berufliche Qualifikation der entscheidende Faktor dafür ist, wie schnell Neulinge eine Stelle finden beziehungsweise wie lange sie in der Arbeitslosigkeit verbleiben.

Leichter Anstieg der Lehrverträge 2015
Innerhalb eines Zeitraums von ein bis vier Jahren nach dem Ende der Ausbildung haben 81% der Absolventen mit einem tertiären Abschluss einen Arbeitsplatz gefunden. Dies gilt für lediglich 31% der jungen Menschen ohne sekundären Schulabschluss oder Berufsausbildung. Haben sie eine Anstellung gefunden, so überdurchschnittlich oft in einem zeitlich befristeten Verhältnis. Die Daten zeigen weiter, dass bei gleicher Qualifikationsstufe Fachkenntnisse in nachgefragten Berufen die Anstellungschancen deutlich erhöhen.

So stellt die Studie für das Arbeitsministerium fest, dass die Chancen auf eine Festanstellung für Absolventen mit Fachabitur (bac pro industriel) auf demselben Niveau liegen wie für Hochschul-Absolventen (bac+5) der Bereiche Wirtschaft oder Ingenieurwesen. Ein berufsspezifische Ausbildung im Sekundarbereich (CAP - Certificat d’aptitude professionelle; etwas umfangreicher: BEP - Brevet d’études professionelles), erhöht demnach die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Abschluss im Rahmen einer Lehre erworben wurde. Die Quote der Festanstellung innerhalb der ersten vier Jahre liegt dann um rund 20 Prozentpunkte höher als bei einer schulischen Ausbildung.

Die Ausbildung in einem dualen System mit betrieblichen und schulischen Anteilen spielt in Frankreich allerdings eine im Vergleich zu Deutschland untergeordnete Rolle. Es dominieren schulische Laufbahnen. Trotz Bestrebungen, die Zahl der betrieblichen Ausbildungen zu erhöhen, verharrt diese in den letzten zehn Jahren mit einigen Schwankungen auf demselben Niveau von circa 280.000. Mit durchschnittlich etwa 20 Monaten sind die Ausbildungszeiten zudem relativ kurz, 27% der Verträge umfassen nur ein Jahr oder weniger. Die Mehrheit (65%) hat Laufzeiten von 13 bis 24 Monaten.

Annäherung an das deutsche oder das angelsächsische Modell?
Traditionell sehen viele französische Unternehmen eher das öffentliche Bildungssystem in der Pflicht, qualifizierte Arbeitskräfte bereitzustellen. Zwar deuten die zitierten Studien darauf hin, dass eine stärkere betriebliche Komponenten für beide Seiten, Berufsanfänger wie Unternehmen, Vorteile hat. Die Erhöhung der Zahl der Auszubildenden um etwa ein Viertel seit den 1990er Jahren ist zu einem wesentlichen Teil aber wohl auf Anreize wie Zuschüsse und Steuergutschriften zurückzuführen. Lehrlinge sind zudem die einzigen regulären Beschäftigten in Frankreich, die unterhalb des Smic beschäftigt werden können.
Auch der leichte Anstieg der Zahl der Auszubildenden 2015 geht vor allem auf zwei öffentlich gelenkte Faktoren zurück: die größere Zahl von Ausbildungsverträgen im öffentlichen Sektor sowie die Förderung der Ausbildung Minderjähriger in Kleinbetrieben (aide TPE jeunes). Firmen mit weniger als zehn Beschäftigten (très petite entreprise, TPE) haben die Zahl der abgeschlossenen Lehrverträge gegenüber dem Vorjahr um 4%, mit Minderjährigen sogar um 9% erhöht.
Der Thinktank France Strategie kommt in einem im Februar 2017 veröffentlichten Papier zu dem Schluss, dass sich das System der beruflichen Bildung in Frankreich zu langsam entwickele. Das Problem sei dabei weniger, dass es zu wenig gute Bildungsangebote gebe, sondern dass die Rollenverteilung zwischen den verschiedenen Verantwortlichen in Staat, Bildungssystem und Wirtschaft nicht klar sei.
Für die zukünftige Entwicklung werden zwei grundsätzliche Optionen vorgeschlagen. Die erste orientiert sich am deutschen Modell und betont die berufsspezifische Ausbildung, um die Einstieg in die Beschäftigung und fortlaufende Spezialisierung zu fördern. Die zweite Option folgt eher angelsächsischen Mustern und setzt auf eine breite Basis von Querschnittsqualifikationen, die eine hohe berufliche Mobilität ermöglicht. Fachspezifische Kenntnisse werden in diesem Modell berufsbegleitend erworben und vertieft.