Frauen in Führungspositionen engagieren sich für die deutsch-französische Zusammenarbeit

06.01.2022

Interview mit Doris Birkhofer, Vorstandsvorsitzende von SIEMENS in Frankreich


1) Frau Birkhofer, Sie sind seit 1. Oktober 2021 Vorstandsvorsitzende von SIEMENS in Frankreich. Können Sie Ihren Werdegang beschreiben?

Aufgewachsen bin ich in Schwandorf in Bayern, Partnerstadt von Libourne in Frankreich. Durch organisierte Jugendaustauschprogramme der Partnerstädte habe ich schon früh Frankreich kennen und lieben gelernt. Meine Geburtsregion ist auch durch die Präsenz von Siemens geprägt. Mein Onkel hat schon dort gearbeitet und mit 15 Jahren habe ich ein Schulpraktikum bei Siemens gemacht. Somit entwickelte ich schon früh eine Affinität zu diesem Unternehmen. Nach dem Abitur studierte ich Internationale Betriebswirtschaft im deutsch-französischen Studiengang der Universität Reutlingen und der heutigen Neoma Business School in Reims. Auch während meines Studiums habe ich Praktika bei Siemens absolviert und somit war es für mich ganz natürlich, dass ich nach meinem Studium auch bei diesem Unternehmen beginnen würde. 1997 habe ich als jüngste Mitarbeiterin in einem neu gegründeten Team der internen Management-Beratung von Siemens begonnen. Nach ein paar Jahren hat man mich in die USA geschickt um dort die Beratung mitaufzubauen: Mit einem fünfköpfigen Team war das drei Jahre lang unsere Aufgabe in New York. Es war wie der Aufbau eines Startups in einem großen Konzern, eine sehr spannende Zeit. Dann arbeitete ich zwei Jahre in der zentralen Strategieabteilung im Bereich Wachstumsstrategien für verschiedene Länder und wechselte dann zu Siemens Healthcare, wo ich für das Identity und Access Management Geschäft verantwortlich war. 2008 verließ ich Siemens, zog nach Frankreich und wechselte ich zu Saint Gobain in den Packaging-Bereich, der heute als eigenständiges Unternehmen (Verallia) agiert. Dort leitete ich nach einem Start in der Strategie eine Filiale im Bereich Maschinenbau mit Standorten in Deutschland, den USA und Indien. Anschließend leitete ich Arconic France, ein Spin-Off der amerikanischen Firma und Technologielieferant der Luftfahrt- und Automobilindustrie. Im Jahr 2018 kehrte ich als Leiterin der Division Smart Infrastructure France zu Siemens zurück, eine Funktion, die immer noch innehabe und dort Schwerpunkte für nachhaltige Entwicklung lege. Seit 1. Oktober bin ich Vorständin von Siemens Frankreich und begleitet die Transformation hin zu Industrie 4.0 und intelligenten Infrastrukturen.

2) Auf welche Leistungen in Ihrer beruflichen Laufbahn sind Sie besonders stolz? Was waren schwierige Schritte?

Meine berufliche Laufbahn zeichnet sich durch ständigen Wechsel und neue Herausforderungen aus, die sicherlich mit Erfolgen geprägt waren. Ich möchte aber herausstreichen, dass dies immer im Team geschah. Daher sehe ich meine Stärke darin, Teams zu führen und vor allem Veränderungsprozesse zu managen.

3) Die Industrie ist immer noch sehr männerdominiert, und Sie stehen als Frau einem internationalen Industriekonzern in Frankreich vor. Welche Fähigkeiten müssen Sie mitbringen, um als Frau erfolgreich zu sein?

Generell bin ich der Überzeugung, dass Frauen im Berufsleben die gleichen Chancen haben wie Männer. Allerdings leiden wir Frauen häufig unter dem Imposter-Syndrom, haben Barrieren im Kopf und stehen uns somit selbst im Weg. Heute stellt Diversity ein wichtiges Thema in großen Unternehmen dar und ist meiner Meinung nach auch ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Ich denke, dass es im Gegenteil im Moment eher ein Vorteil ist, eine Frau zu sein. Wenn man Kompetenz und Talent mitbringt, dann hat man exzellente berufliche Chancen. Persönlich hatte ich Glück in meiner beruflichen Karriere. Ich wurde immer von Männern gefördert, die selber Töchter haben und sehr engagiert waren, sie in ihrer beruflichen Karriere zu unterstützen. 

4)  Was kann getan werden, um mehr Frauen in wichtige Positionen zu bringen? Welche Hindernisse müssen die Frauen überwinden?

Um mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern, muss schon im jungen Alter begonnen werden: Im Kindergarten müssen Vorurteile abgebaut werden. Kleine Mädchen sollten Gelegenheiten haben, mit Technik und Wissenschaft konfrontiert zu werden. Frauen sind häufig „Purpose“ orientiert, dies sollte auch im Unterricht einfließen. Die Firmenpolitik zu Diversity sollte so gestaltet sein, dass junge Männer sich umfänglich in die Familienorganisation integrieren können. 

5)  Welche Ratschläge können Sie jungen Frauen für eine Karriere auf den Weg geben?

Verwirkliche deinen Traum und probiere verschiedene Dinge aus. Suche dir ein geeignetes Umfeld zur Weiterentwicklung und achte dabei auf eine gute Ausbildung. Das ist eine wichtige Basis. Ein technischer Background bietet heute ideale Voraussetzungen für eine berufliche Karriere, vor allem für Frauen.

 

Das Interview führte Alexandra Seidel-Lauer